Was ist bei der Delegation der Geschäftsführung zu beachten?

Häufig herrscht in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wenig Klarheit darüber, wie die Aufgaben zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung verteilt sind und wie die Geschäftsführung wirksam delegiert werden kann. Bei börsenkotierten Gesellschaften hingegen ist es üblich, dass Verwaltungsrat und Geschäftsleitung als getrennte Gremien agieren, die jeweils eigene Zuständigkeiten haben. Dieser Beitrag richtet sich an nicht börsenkotierte Unternehmen. Deshalb wollen wir der Frage nachgehen, wie dies eigentlich bei privat gehaltenen kleinen und mittleren Unternehmen in der Form einer Aktiengesellschaft aussieht.   

Wem steht die Geschäftsführung der Gesellschaft zu?

Gemäss Art. 716b Abs. 5 des Obligationenrechts (OR) steht die Geschäftsführung allen Mitgliedern des Verwaltungsrates gesamthaft zu, soweit sie nicht übertragen worden ist. Das bedeutet, dass sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrates gemeinsam für die Geschäftsführung verantwortlich sind und diese als Kollektiv ausüben. Diese gesetzliche Zuordnung der Geschäftsführung kann durch eine Übertragung der Geschäftsführung verändert werden.

Das heisst, die Geschäftsführung liegt bis zu ihrer rechtsgültigen Delegation beim Verwaltungsrat als Kollektiv.

Wie kann die Geschäftsführung delegiert werden?

Eine rechtsgültige Delegation der Geschäftsführung ist nur möglich, wenn keine unübertragbaren Aufgaben (vgl. Art. 716a OR) betroffen sind und die Statuten eine Übertragung weder untersagen noch einschränken.

Ist eine Delegation grundsätzlich möglich, kann der Verwaltungsrat die Geschäftsführung an einzelne Verwaltungsratsmitglieder oder an eine Geschäftsleitung delegieren. Damit diese Delegation rechtlich wirksam wird, muss der Verwaltungsrat gemäss Art. 716b Abs. 1 OR vorgängig ein Organisationsreglement erlassen. Dies geschieht durch einen Beschluss des Verwaltungsrates, der schriftlich zu protokollieren ist.

Neben den formellen Voraussetzungen, müssen für eine rechtswirksame Delegation auch bestimmte inhaltliche Anforderungen (Art. 716b Abs. 3 OR) erfüllt sein. Im Organisationsreglement sind die zu delegierenden Aufgaben, die damit verbundenen Kompetenzen sowie die Berichterstattungs- und Kontrollmechanismen festzulegen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine rechtswirksame Delegation der Geschäftsführung nur dann wirksam erfolgt, wenn

  • sie durch Gesetz oder Statuten nicht ausgeschlossen ist,

  • sie vom Verwaltungsrat ordnungsgemäss beschlossen und schriftlich (bspw. in einem Organisationsreglement) festgehalten wird und

  • ihre inhaltliche Ausgestaltung sämtliche wesentlichen Aspekte der Zuständigkeiten, Verantwortung und Kontrolle regelt.

Weshalb ist die rechtsgültige Delegation wichtig?

Die persönliche Haftung des Verwaltungsrats reduziert sich, wenn eine Delegation ordnungsgemäss erfolgt. Gemäss Art. 754 Abs. 2 OR beschränkt sich die Haftung des Verwaltungsrates bei rechtsgültiger Delegation darauf, die Delegationsempfänger sorgfältig auszuwählen, korrekt zu instruieren und deren Tätigkeit regelmässig zu überwachen. Durch die rechtsgültige Delegation kann der Verwaltungsrat somit sein Haftungsrisiko reduzieren.

Die rechtsgültige Delegation reduziert die Haftung der Mitglieder des Verwaltungsrates auf die folgenden Punkte:

  • Sorgfältige Auswahl: Fachkenntnisse, Vertrauenswürdigkeit und Erfahrung sollen geprüft werden.

  • Instruktion: Klare Festlegung von Zielen, Kompetenzen und Pflichten.

  • Überwachung: Regelmässige Berichterstattung und Kontrolle, ob die Personen die delegierten Aufgaben korrekt erfüllen.

Fehlt es jedoch an einer rechtswirksamen Delegation der Geschäftsführung haften die Mitglieder des Verwaltungsrates weiterhin vollumfänglich.

Welche typischen Fehler sehen wir in der Praxis?

Faktische Geschäftsführung ohne formelle Delegation

Häufig führt der Präsident des Verwaltungsrats oder ein anderes Mitglied de facto die Geschäfte, während die übrigen Mitglieder nur beratend oder in Teilbereichen tätig sind. Fehlt es jedoch an einer rechtswirksamen Übertragung der Geschäftsführung verbleibt die Verantwortung und insbesondere das Haftungsrisiko weiterhin bei allen Verwaltungsratsmitgliedern gemeinsam.

Neue Geschäftsführer ohne rechtswirksame Delegation

Ein häufiger Fall: Der Gründer einer Gesellschaft, der lange Zeit selbst Geschäftsführer war, stellt einen neuen Geschäftsführer ein und zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück. Zwar wird die neue Person oft als „Geschäftsführer“ im Handelsregister eingetragen, aber es fehlen die erforderlichen Dokumente und Regelungen, um die Geschäftsführung rechtsgültig zu übertragen. Rechtlich bleibt die Geschäftsführung daher beim Gründer allenfalls gemeinsam mit weiteren Verwaltungsratsmitgliedern.

Unvollständiges oder fehlendes Organisationsreglement

In der Praxis werden Berichterstattungs- und Kontrollmechanismen im Organisationsreglement oft nicht oder nur unzureichend geregelt. Dies ist ein zentraler Bestandteil für eine rechtswirksame Delegation. Ohne Regelung der Berichterstattungs- und Kontrollmechanismen trägt der Verwaltungsrat weiterhin die volle Haftung.

Zustimmungsvorbehalte

Häufig enthalten Organisationsreglemente Zustimmungsvorbehalte des Verwaltungsrates für gewisse wichtige Geschäfte. Bei solchen Vorbehalten ist die Geschäftsführung für diese Geschäfte aus rechtlicher Warte nicht delegiert. Der Verwaltungsrat behält sich diese Geschäfte selbst vor und ist für diese weiterhin voll verantwortlich.

Fazit

Solange die Geschäftsführung nicht rechtswirksam delegiert wurde, obliegt die Geschäftsführung dem Verwaltungsrat als Kollektiv. Die wichtigste Grundlage einer Delegation der Geschäftsführung ist immer ein Organisationsreglement, ohne dieses ist eine Delegation der Geschäftsführung nicht zulässig. Mit dem Erlass eines korrekten Organisationsreglementes haften die Mitglieder des Verwaltungsrates nur noch für die sorgfältige Auswahl, Instruktion und Überwachung der mit der Geschäftsleitung betrauten Personen und reduzieren dadurch ihr persönliches Haftungsrisiko.

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