Ein gefährliches Ungleichgewicht: Warum Microsoft-Partner das Risiko von Zahlungsausfällen ernst nehmen sollten

Ein weit verbreitetes Szenario im Cloud-Geschäft zeigt, wie schnell sich vermeintlich lukrative Kundenbeziehungen ins Gegenteil verkehren können: Ein Cloud Solution Provider (CSP) beschafft für einen Firmenkunden zehn Microsoft 365 E-Lizenzen mit einer Laufzeit von zwölf Monaten, die er gegenüber Microsoft vollständig bezahlen muss, unabhängig davon, ob der Kunde mitzieht. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, bietet der CSP seinem Kunden jedoch flexible, monatlich kündbare Zahlungsmodelle mit geringer Marge an. Kündigt der Kunde jedoch nach wenigen Monaten oder stellt er schlicht die Zahlungen ein, bleibt der CSP auf den restlichen Lizenzkosten sitzen. Dieses Spannungsfeld zwischen Vorleistung, Kundenbindung und Zahlungsausfallrisiko betrifft nicht nur CSPs, sondern auch Licensing Solution Provider (LSPs).

In diesem Beitrag beleuchten wir die Problematik im Detail und zeigen auf, welche vertraglichen und technischen Massnahmen Microsoft-Partner ergreifen können, um sich besser abzusichern.

Vertragsbindung im Microsoft-Lizenzprogramm

Im Rahmen von CSP-Programmen sowie vergleichbarer Lizenzmodelle wie bei LSP trägt der Partner die volle finanzielle Verantwortung gegenüber Microsoft. Der Lizenzvertrag wird in der Regel nicht direkt mit dem Endkunden, sondern mit dem Partner geschlossen, inklusive aller rechtlicher und finanzieller Konsequenzen.

Konkret heisst das, dass der CSP-Partner verpflichtet ist, die vereinbarten Gebühren an Microsoft zu zahlen. Sogar dann, wenn der Endkunden nicht zahlt oder sogar insolvent wird. Die offiziellen Vertragsunterlagen, insbesondere das Microsoft Partner Agreement, lassen hier keinen Interpretationsspielraum zu. Dort heisst es sinngemäss:

«Die Nichtzahlung eines Kunden entbindet den Partner nicht von seiner Zahlungspflicht gegenüber Microsoft, selbst im Insolvenzfall.»

Mit der Einführung der New Commerce Experience im Jahr 2022 hat Microsoft die Vertragsbedingungen weiter verschärft. Während zuvor monatlich kündbare Abos weit verbreitet waren, ist nun die jährliche Bindung der Standard. Nur innerhalb der ersten 7 Tage nach Kauf, kann ein Abonnement storniert oder reduziert werden. Nach deren Ablauf ist eine vorzeitige Kündigung ausgeschlossen.

Diese Vertragslage verdeutlicht, wie wichtig es für CSPs und LSPs ist, sich proaktiv gegen Zahlungsausfälle von Endkunden abzusichern. Technische Lösungen, vertragliche Schutzmechanismen und externe Absicherungsstrategien sind heute kein «nice-to-have» mehr, sondern entscheidend für die wirtschaftliche Stabilität im Cloud-Geschäft.

Empfohlene Absicherungsoptionen von Microsoft

Microsoft bietet keine direkten Klauseln zur Absicherung von Zahlungsausfällen seitens der Endkunden. Die CSP- und LSP-Partner werden im Falle eines Zahlungsausfalls also im Regen stehen gelassen. Es bestehen keine Klauseln, die das Risiko auf Microsoft abwälzen lassen. Microsoft stellt klar, dass der Partner als Schuldner für alle bestellten Lizenzen verantwortlich bleibt, unabhängig davon, ob der Endkunde seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt oder nicht.

In der New Commerce Experience-Guidelines wird den Partnern jedoch geraten, vorsorglich alternative Verkaufsmodelle zu wählen, wenn ein Kunde als potenzielles Risiko angesehen wird.

Microsoft empfiehlt Partnern zwei Strategien zur Risikominimierung: Statt Jahresverträgen sollten Kunden bevorzugt monatlich kündbare Abonnements angeboten werden, auch wenn hierfür ein Aufpreis von etwa 20% anfällt. Dadurch lasse sich das Risiko eines möglichen Zahlungsausfalls deutlich reduzieren. Bei Kunden mit fragwürdiger Bonität rät Microsoft zudem, das Geschäft nicht einzugehen. Ein entgangener Umsatz sei in diesem Fall wirtschaftlich sinnvoller als ein potenzieller Forderungsausfall.

Die Empfehlungen zeigen deutlich, dass Microsoft die Verantwortung für das Risikomanagement den Partnern überlässt. Es obliegt den Partner, selbst zu entscheiden, ob und wie sie Risiken in ihren Geschäftsmodellen absichern.

Alternative Absicherungsoptionen

Aufgrund fehlender Schutzmechanismen in den Microsoft-Verträgen, müssen Partner auf praktische vertragliche Schutzmassnahmen zurückgreifen, um das Risiko von Zahlungsausfällen zu minimieren.

  • Vorauszahlung: Eine der sichersten Methoden zur Absicherung, ist vom Endkunden eine Vorauszahlung zu verlangen. Insbesondere bei jährlichen Lizenzbindungsmodellen kann der Partner darauf bestehen, dass der Endkunde mindestens einen Teil der Gebühr im Voraus bezahlt, um die Rechnung an Microsoft zu decken. Für unsichere oder neue Kunden empfiehlt sich eine Teil-Vorauszahlung oder die vollständige Vorauszahlung vor der Bereitstellung der Lizenzen zu fordern.

  • Sicherheitsleistungen bei erhöhtem Risiko: Bei grösseren Verträgen oder Kunden mit fraglicher Bonität kann es sinnvoll sein, eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Dies könnte eine Bankbürgschaft oder eine Kaution sein, die der Endkunde hinterlegt. Eine Bürgschaft des Mutterunternehmens oder Gesellschafters des Kunden ist ebenfalls eine Option, um das Risiko abzufedern.

  • Mindestvertragslaufzeit: Wenn der Partner gegenüber Microsoft eine jährliche Bindung eingegangen ist, sollte der Endkunde ebenfalls vertraglich an eine Mindestlaufzeit gebunden werden, idealerweise zwölf Monate. Sollte der Endkunde dennoch vorzeitig kündigen oder Zahlungen einstellen, ist dies ein Vertragsbruch und der Partner kann Schadenersatz verlangen.

  • Risokoadäquate Preisgestaltung: Zudem sollte die Preisgestaltung dem Risiko angepasst werden. Wenn dem Kunden flexible Optionen (z.B. monatliche kündbare Lizenzen) angeboten werden, sollten höhere Preise oder zusätzliche Risikozuschläge kalkuliert werden. Geringere Rabatte oder ein höherer Preis für monatliche Zahlungen können helfen, das Risiko eines Zahlungsausfalls zu kompensieren.

  • Konsequentes Forderungsmanagement: Ein strenges Forderungsmanagement ist unerlässlich. Microsoft selbst empfiehlt, überfällige Zahlungen konsequent zu verfolgen und standardisierte Mahnprozesse umzusetzen. Klauseln, die Mahngebühren oder Verzugszinsen bei Zahlungsverzug vorsehen, erhöhen den Druck auf den Kunden, offene Rechnungen zu begleichen.

  • Recht zur Nutzungsunterbrechung: Eine weitere Schutzmassnahme ist das Recht zur Nutzungsunterbrechung. Der Vertrag kann eine Klausel enthalten, die dem Partner erlaubt, die Dienstleistung bei Zahlungsverzug vorübergehend zu sperren, bis die offenen Beträge beglichen sind. Diese Massnahme kann den Kunden dazu bewegen, schnell zu zahlen, um den Service wieder nutzen zu können.

  • Bonitätsprüfung und Kreditlimits: Vor Abschluss eines grösseren Lizenzvertrags sollte der Partner die Bonität des Kunden prüfen. Einige Partner gewähren neuen oder unsicheren Kunden nur eingeschränkte Kreditlimits und passen die Vertragsbedingungen an das Risikoprofil des Kunden an. So wird das Risiko schrittweise getestet, ohne direkt in hohe offene Forderungen zu gehen.

  • Einsatz von Warenkreditversicherungen und Factoring: Zusätzlich zu vertraglichen Massnahmen können Warenkreditversicherungen oder Factoring als Absicherungsstrategien dienen. Diese Instrumente helfen, das Ausfallrisiko zu minimieren, indem Forderungen im Fall der Insolvenz des Kunden übernommen oder an eine Bank verkauft werden.

  • Weitergabe der Microsoft-Bedingungen an Endkunden: Wichtig ist auch, dass der Dienstleister die wesentlichen Microsoft-Bedingungen an den Endkunden weitergibt. Das betrifft insbesondere die produktnutzungsrechte und Lizenzbedingungen. Auch wenn der Kunde keinen direkten Vertrag mit Microsoft hat, sollte er wissen, dass sein Vertrag indirekt an diese Bedingungen gebunden ist, insbesondere im Fall einer vorzeitigen Kündigung oder Änderung des Abonnements.

  • Rechtssichere Gestaltung der AGB: Schliesslich ist es sinnvoll, die eigenen AGBs entsprechend zu gestalten. Da bei der Formulierung von AGBs jedoch jedes Wort rechtlich relevant ist, sollten Schutzklauseln nicht einfach selbst entworfen werden. Gerade im Lizenzvertragsrecht gibt es viele rechtliche Feinheiten, etwa zur Wirksamkeit von Vertragsstrafen oder der Gestaltung von Verzugszinsen. Deshalb gehört eine juristische Prüfung der eigenen Vertragsunterlagen zum professionellen Risikomanagement jedes Microsoft-Partners.

Fazit

Microsoft-Partner wie CSPs und LSPs tragen das volle finanzielle Risiko für bestellte Lizenzen, auch bei Zahlungsunfähigkeit des Endkunden. Da Microsoft keine Absicherung gegen Zahlungsausfälle bietet, müssen Partner durch vertragliche Massnahmen, Bonitätsprüfungen und technische sowie externe Sicherungsinstrumente eigenständig vorsorgen. Eine kluge Vertragsgestaltung, Vorauszahlungen, Sicherheitsleistungen und striktes Forderungsmanagement sind entscheidend, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden und die eigene Stabilität im Cloud-Geschäft zu sichern.

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