Die vertrauensärztliche Untersuchung

Dein Mitarbeiter teilt Dir mit, dass er arbeitsunfähig sei. Du hast Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und möchtest diese überprüfen lassen. Als Arbeitgeberin kannst Du in einem solchen Fall eine vertrauensärztliche Untersuchung anordnen. In diesem Blogbeitrag erfährst Du, wie Du vorgehen musst und was zu berücksichtigen hast.

Praxisfall

Du hast Deinem Mitarbeiter per 31. Januar 2023 das Arbeitsverhältnis auf den 31. März 2023 gekündigt. Der Mitarbeiter überreicht Dir am 6. Februar 2023 ein Arztzeugnis, welches eine Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen attestiert. Das hat zur Konsequenz, dass Dein Mitarbeiter nicht mehr arbeiten muss. Zudem wird die Kündigungsfrist verlängert. Du bist aber zur Bezahlung des Lohns verpflichtet. Du bezweifelst die Arbeitsunfähigkeit.

Nun ist schnelles Handeln gefragt!

Vorgehen

Dieser Entscheidungsbaum veranschaulicht Dir Dein Vorgehen:

1. Vertrauensärzte auswählen

Als Arbeitgeberin musst Du zwei Vertrauensärzte auswählen, welche die Untersuchung vornehmen sollen. Jeder Arzt kann als Vertrauensarzt tätig werden. Es ist keine Zusatzausbildung oder eine spezielle Zulassung notwendig. Du kannst also beispielsweise auch Deinen eigenen Hausarzt fragen, ob er als Vertrauensarzt für Deine Firma tätig sein könne. Bei der Auswahl der Vertrauensärzte musst Du folgende Punkte beachten:

  • Es ist eine Vertrauensärztin und ein Vertrauensarzt zu definieren;

  • Der Weg von der Wohnung des Mitarbeiters zur Ärztin/zum Arzt sollte maximal 30 Minuten betragen.

2. Vertrauensarzt anfragen

Du hast zwei passende Vertrauensärzte ausgewählt. Nun musst Du sicherzustellen, dass die beiden Vertrauensärzte in den nächsten Tagen ausreichend Kapazität für neue Termine haben. Das kannst Du ganz informell mit einem Telefonat an die entsprechenden Arztpraxen sicherstellen.

3. Untersuchung anordnen

Wenn Du zwei Vertrauensärzte ausgewählt hast, musst Du den Mitarbeiter sofort auffordern, sich einer Untersuchung bei einem der beiden Vertrauensärzten zu unterziehen. Diese Aufforderung muss am gleichen Tag erfolgen, an welchem Dir Dein Mitarbeiter seine Arbeitsunfähigkeit gemeldet hat. Je schneller desto besser! Die Aufforderung ist per A-Post Plus an die Wohnadresse und vorab per E-Mail an die private Mailadresse des Mitarbeiters zuzustellen.

Die Aufforderung muss folgende Punkte enthalten:

  • Kontaktdaten der ausgewählten Vertrauensärzte;

  • Frist von 1-2 Tagen seit Zustellung, innert welcher der Mitarbeiter bei einem der Vertrauensärzte einen Termin vereinbaren muss;

  • First von 2-3 Tagen seit Zustellung, innert welcher sich der Mitarbeiter der Untersuchung unterziehen muss;

  • Hinweis, dass angenommen wird, der Mitarbeiter sei arbeitsfähig, wenn er der Untersuchung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt;

  • Hinweis, dass die Kosten der Untersuchung von Dir als Arbeitgeberin getragen werden.

Eine kostenlose Vorlage zur Anordnung der vertrauensärztlichen Untersuchung findest Du unter diesem Link!

4. Vertrauensarzt kontaktieren

Nachdem die Untersuchung stattgefunden hat, solltest Du den untersuchenden Vertrauensarzt umgehend telefonisch kontaktieren und ihm folgende Fragen stellen:

  • Entspricht das ursprüngliche Arztzeugnis bzw. die Arbeitsunfähigkeit der Wahrheit?

  • Ist der Mitarbeiter arbeitsunfähig und falls ja, in welchem Umfang und wie lange?

  • Was sind die Gründe der Arbeitsunfähigkeit (Krankheit, Unfall, Schwangerschaft)?

  • Handelt es sich um eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit?

Nach dem Telefonat ist der Vertrauensarzt aufzufordern, Dir seine Aussagen ebenfalls schriftlich zukommen zu lassen. Natürlich darf Dir der Vertrauensarzt keine zu spezifischen Angaben machen, denn er untersteht dem Arztgeheimnis. Das ist aber nicht schlimm.

5. Sanktionen treffen

Der Mitarbeiter kommt der Untersuchung nicht innert Frist nach oder Du gelangst aufgrund der vertrauensärztlichen Untersuchung zum Schluss, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Jetzt musst Du den Mitarbeiter schriftlich per A‑Post Plus und vorab per E-Mail umgehend zur Arbeitsleistung auffordern.

Kommt der Mitarbeiter seiner Arbeitsleistung weiterhin nicht nach, kannst Du gegenüber dem Mitarbeiter die Lohnzahlungen einstellen. Wenn der Mitarbeiter seine Lohnforderungen durchsetzen will, ist er auf den Prozessweg zu verweisen.

Gerne beraten wird Dich bei der Anordnung einer vertrauensärztlichen Untersuchung oder zu weiteren Fragen des Arbeitsrechts.

Bist Du interessiert an weiteren Praxistipps? Nimm teil an unserem DPR-Seminar: HR & Recht am Donnerstag, 11. Mai 2023 (14-17 Uhr) in Bern, mit anschliessendem Apéro. Weitere Informationen zu diesem Anlass gibt es unter diesem Link.

Fachbeiträge

Das neue Erbrecht 2023: Was ändert sich?

Am 1. Januar 2023 ist das neue Erbrecht in Kraft getreten. Massgebend für das anwendbare Recht ist nicht das Errichtungsdatum einer letztwilligen Verfügung, sondern der Tod des Erblassers. Die neuen Regelungen gelten daher für sämtliche Erblasser, welche nach dem 31. Dezember 2022 verstorben sind. Damit kommen die neuen Regelungen auch zur Anwendung auf bereits verfasste letztwillige Verfügungen und diese bedürfen allenfalls einer Anpassung, denn mit dem neuen Recht verfügt der Erblasser über einen grösseren Handlungsspielraum hinsichtlich seines Nachlasses. In diesem Beitrag sollen die wichtigsten Änderungen und deren Auswirkungen festgehalten werden.

Arbeitsrecht

Strafe muss sein! – Die Strafbestimmungen des revidierten Datenschutzgesetzes aus Arbeitgebersicht

Fachbeiträge

Zusammenschluss zum Eigenverbrauch: Was Du zur eigenen Stromproduzierung wissen musst!

Fachbeiträge

5 Gründe, weshalb Du eine Anwaltskarriere bei Domenig & Partner starten solltest!

Fachbeiträge

Reverse Founder Vesting: Wie Du Dich vor dem Abgang eines Mitgründers schützt

Was passiert, wenn Dein Mitgründer aussteigt? Ohne vertragliche Regelung nimmt er seine Aktien mit und darf sie behalten. Das kann später zu Problemen führen, wenn Dein Start-Up wachsen und neue Mitarbeiter und Investoren dazu kommen sollen. In diesem Blog erläutern wir Dir das Konzept des «Reverse Founder Vesting» – eine vertragliche Gestaltungsmöglichkeit, die dieses Problem adressiert.

Allgemein

Top-Anwaltskanzlei 2023

optional
optional
optional