A-Post Plus und die Machtbereichstheorie im Verwaltungsrecht

Sind an die Nichtbeachtung verwaltungsrechtlicher Verfügungen strafrechtliche Folgen geknüpft, hat die Zustellungsart den Anforderungen aus Art. 85 Abs. 2 StPO zu genügen.
In einem Leitentscheid hat sich das Regionalgericht Berner-Jura Seeland mit der Frage der Zustellung von strafrechtlich relevanten behördlichen Verfügungen auseinandergesetzt.

Die verpasste Motorfahrzeugkontrolle

Jeder Automobilist kennt das Prozedere:
Erfolgt das Aufgebot zur Motorfahrzeugkontrolle (MFK), drohen die Behörden zugleich Konsequenzen an für den Fall, dass der Aufforderung nicht nachgekommen wird. Es droht die Entziehung von Fahrzeugausweis und Kontrollschild.
 
Was passiert aber, wenn der Autobesitzer weder auf die Aufforderung zur MFK noch auf die anschliessend erfolgte Entziehungsverfügung reagiert, beispielsweise weil ihn die behördliche Aufforderung und Verfügung nie erreicht hat?
 
Ein solcher Sachverhalt lag dem Fall zugrunde, welcher kürzlich vom Regionalgericht Berner-Jura-Seeland entschieden worden ist. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, nach verpasster MFK, die Kontrollschilder sowie den dazugehörigen Fahrzeugausweis trotz behördlicher Aufforderung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts (SVSA) nicht abgegeben und damit die Strafvorschrift des Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG erfüllt zu haben.
 
 

Der Missbrauchstatbestand von Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG

Der Tatbestand von Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG setzt voraus, dass die Aufforderung zur Abgabe von Kontrollschildern und Fahrzeugausweis dem Beschuldigten ordnungsgemäss eröffnet wurde. Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung war damit die Frage der ordnungsgemässen Zustellung und damit der Eröffnung der Entziehungsverfügung.
 
 

Die Zustellung mittels A-Post plus

Die Zustellung der Entziehungsverfügung erfolgte mittels A-Post Plus. Bei der A-Post Plus handelt es sich um eine von der Schweizer Post angebotene Sendemöglichkeit, bei welcher der Postbote den Strichcode auf dem Couvert scannt, bevor er dieses in den Briefkasten einwirft.
 
Im Unterschied zur eingeschriebenen Briefpostsendung muss der Empfänger bei der A-Post Plus Sendung den Empfang nicht quittieren. Entsprechend wird der Adressat im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch die Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Der Absender kann jedoch mit Hilfe des Track & Trace Tools die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers verfolgen.
 
 

Strafrechtlich relevante verwaltungsrechtliche Verfügungen

Für die Eröffnung verwaltungsrechtlicher Verfügungen und Entscheide ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreichend. Eine Sendung gilt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen dann als zugestellt, wenn sie in den Machtbereich des Adressaten gelangt und dieser von deren Inhalt Kenntnis nehmen kann. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme ist dabei irrelevant. Die Zustellungsart per A-Post Plus ist demnach ausreichend für die ordnungsgemässe Eröffnung einer verwaltungsrechtlichen Verfügung.
 
Anders verhält es sich bei Mitteilungen der Strafbehörden. Diese sind gemäss Art. 85 Abs. 2 StPO durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung zuzustellen. Eine Zustellung mittels A-Post Plus genügt den Anforderungen aus Art. 85 Abs. 2 StPO also nicht. Mangels Quittierung des Empfangs kann dem Track & Trace-Auszug nicht entnommen werden, ob tatsächlich jemand die Sendung behändigt hat und um wen es sich dabei handelt, geschweige denn, dass sie tatsächlich zur Kenntnis genommen worden ist (BGE 142 III 599 E. 2.2).
 
Nach vorliegendem Entscheid des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland ist die Zustellungsvorschrift nach Art. 85 Abs. 2 StPO auch dann zu wahren, wenn es sich zwar um eine verwaltungsrechtliche Verfügungen handelt, an die Nichtbefolgung der Verfügung aber strafrechtliche Folgen geknüpft sind.
 
Das Strassenverkehrsamt als Verwaltungsbehörde wendet zwar nicht wie eine Strafbehörde die StPO an, dennoch ist aufgrund der strafrechtlichen Relevanz der Verfügungen der SVSA die Zustellung mittels A-Post Plus nicht ausreichend. Die strafrechtliche Verurteilung basierend auf einer mittels A-Post Plus zugestellten Verfügung ist stossend und widerrechtlich.
 
 

Fazit

Setzt die Erfüllung einer strafrechtlichen Norm zwingend die Nichtbefolgung einer verwaltungsrechtlichen Verfügung voraus, ist die Kenntnis vom Inhalt der Verfügung massgeblich. Die tatsächliche Kenntnisnahme kann mit der Zustellung per A-Post Plus jedoch nicht nachgewiesen werden.
 
Bei Erlass verwaltungsrechtlicher Verfügungen, an die strafrechtliche Sanktionen geknüpft werden können, ist daher angeraten, von der Zustellung mittels A-Post Plus Abstand zu nehmen. Andernfalls steht die strafrechtliche Durchsetzung und Sanktionierung der Nichtbefolgung der Verfügung auf wackeligen Beinen.
 
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