Erleichterte Anerkennung ausländischer Konkurs- und Insolvenzverfahren in der Schweiz

Stellen Sie sich eine deutsche Gesellschaft vor, die in der Schweiz Liegenschaften, Bankkonten und Schweizer Kunden hat. Nehmen Sie an, dass diese Gesellschaft in Deutschland in Konkurs gerät.  

Es stellen sich Fragen wie:

  • Wer bezahlt die offenen Forderungen der Gläubiger in der Schweiz?

  • Was passiert mit den Vermögenswerten dieser Gesellschaft in der Schweiz?

 
Die im März 2018 beschlossene Revision des 11. Titels des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) befasst sich mit der Behandlung von Auslandinsolvenzen in der Schweiz. Das revidierte Gesetz tritt per 1.Januar 2019 in Kraft.
 
 

Modernisierungsbedarf

Die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO 2015/848) kennt seit 2002 eine automatische Anerkennung von ausländischen Konkurseröffnungsentscheiden, sogenannten Konkursdekreten. Damit fallen langwierige Anerkennungsverfahren weg.
 
Nicht so die Schweiz, sie hat bis anhin eine restriktive Regelung für die Anerkennung. Sofern keine Staatsverträge Anwendung finden, richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung nach dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht IPRG (Art. 166 ff. IPRG). Diese Bestimmungen führen zu einem kosten- und zeitintensiven Gerichtsverfahren.
 
 

A. Revidierte Anerkennungsvoraussetzungen

Neu anerkennt die Schweiz ausländische Konkursdekrete unter den folgenden Voraussetzungen (Art. 166 Abs. 1 IPRG):
 

  1. Das ausländische Konkursdekret wird im Wohnsitzstaat des Schuldners oder im Staat ausgesprochen, in welchem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (sog. Center of main interests, COMI). Dieser Begriff übernimmt die Schweiz von der EuInsVO.

  2. Die Anerkennung kann der Gläubiger der ausländischen Konkursverwaltung oder der Schuldner selber beim Gericht am Ort des Vermögens beantragen (sog. aktivlegitimierte Person/Behörde).

  3. Das ausländische Konkursdekret ist vollstreckbar d.h. es stehen dagegen keine Rechtsmittel zur Anfechtung zur Verfügung. 

  4. Es liegt kein Verweigerungsgrund für das Schweizer Gericht vor
    (keine Verletzung des Schweizerischen „Ordre public“; der Konkurseröffnungsentscheid darf in keinem Widerspruch zu fundamentalen Verfahrensgrundsätzen der Schweizerischen Rechtsordnung stehen wie z.B. rechtliches Gehör).

  5. Auf das Gegenrechterfordernis wird nach Inkrafttreten der Revision verzichtet. Gemäss diesem Gegenerfordernis konnten bisher nur Konkursdekrete von Staaten anerkannt werden, die ihrerseits Entscheide Schweizer Behörden anerkennen.

 
 

B. Verzicht auf Hilfskonkursverfahren

Bis anhin wird mit der Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets automatisch ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet. Also ein Konkursverfahren in der Schweiz, welches parallel zum ausländischen Hauptkonkursverfahren läuft. Dieser schweizerische Hilfskonkurs beschränkt sich auf das in der Schweiz gelegene Schuldnervermögen.
 
In diesem Verfahren werden pfandgesicherte und privilegierte Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz befriedigt (Art. 172 f IPRG). Bleibt nach Befriedigung der Schweizer Gläubiger ein finanzieller Überschuss, wird dieser bei Anerkennung des ausländischen Kollokationsplanes (sog. Verzeichnis der Konkursforderungen) an das ausländische Hauptinsolvenzverfahren abgeliefert.
 
Anlässlich der Revision ist festgestellt worden, dass die obligatorische Durchführung des Hilfskonkurses ineffizient ist.
 
Neu ist es möglich, die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte ohne Eröffnung eines Hilfskonkursverfahrens an das ausländische Hauptkonkursverfahren zu übertragen. Dies jedoch nur, wenn keine pfandgesicherten und privilegierten Gläubiger mit Wohnsitz in der Schweiz beteiligt sind und die ausländische Konkursverwaltung im Anerkennungsverfahren beantragt, dass auf einen Hilfskonkurs zu verzichten sei (Art. 174a IPRG).
 
 

Fazit

Ab Januar 2019 kann das eingangs geschilderte deutsche Konkursdekret bedeutend einfacher in der Schweiz anerkannt und vollstreckt werden. Und zwar sogar dann, wenn lediglich der COMI in Deutschland liegt.
 
Wenn keine privilegierten Schweizer Gläubiger beteiligt sind, können die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte ohne Hilfskonkurs an das ausländische Hauptinsolvenzverfahren übertragen und sämtliche Gläubiger – auch Schweizer Gläubiger – daraus befriedigt werden.

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