Die Stay-Down-Pflicht im Entwurf zum neuen Urheberrechtsgesetz

Die letzte Revision des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG) liegt bereits mehr als zehn Jahre zurück. Während urheberrechtlich geschützte Gemälde auch heute weiterhin durch Pinsel, Leinwand und Farbe erschaffen werden, zeichnet sich in der Welt des Internets ein ganz anderes, sich rasant entwickelndes Bild.
Ziel der angestrebten Revision des URG ist es, dem digitalen Fortschritt Einhalt zu gebieten. Neben zahlreichen kleinen Änderungen will der Gesetzgeber insbesondere der Internet-Piraterie den Riegel vorschieben. Dazu bedient er sich einer sogenannten «Stay-Down-Pflicht».

Der Weg zum Entwurf

Was im normalen Leben gilt, gilt auch in der Gesetzgebung:
Wer rastet, der rostet.
 
Aus diesem Grund hat der Bundesrat im Jahr 2012 die Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12) ins Leben gerufen. Die Aufgabe der AGUR12 bestand darin, mögliche Anpassungen des Urheberrechts an die technische Entwicklung aufzuzeigen. Gestützt auf die Erkenntnisse der AGUR12 und nach zahlreichen Verhandlungen mit den Interessenvertretern, verabschiedete der Bundesrat Ende 2017 einen Gesetzesentwurf zur Revision des URG. Dieser liegt nun dem Parlament vor. Dabei richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung der Internetpiraterie.
 
Den Gesetzesentwurf finden Sie HIER.
Die «Stay-Down-Pflicht» ist in Art. 39d E-URG geregelt.
 
 

Die Piraterie-Problematik

Piraterieplattformen bieten unzählige urheberrechtlich geschützte Inhalte gratis zum Download oder Streaming an. In der Schweiz beispielsweise hat jede/r dritte Jugendliche über 15 Jahre mindestens einmal Musik, Filme oder Videospiele aus dem Internet heruntergeladen, ohne dafür zu bezahlen.
 
Im Gegensatz zum Uploaden ist das Downloaden von urheberrechtlich geschützten Materialien in der Schweiz legal. Gänzlich kostenlos ist aber auch dieses Vorgehen nicht. Auf jedem verkauften Datenträger sind Abgaben in der Höhe von 2 bis 6 Rappen pro Gigabyte Speicherplatz miteinberechnet.
 
Trotz dieser Abgaben, die grösstenteils den Kunstschaffenden und Urheberrechtsbesitzern zufliessen, entgehen diesen jedes Jahr Millionen von Franken an Einnahmen. Denn zahlreiche Webseiten stellen illegal Filme, Musik, Bücher und Games zum Download bereit. Um dieser Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, soll die sogenannte «Stay-Down-Pflicht» eingeführt werden. Dadurch soll die Internetpiraterie in der Schweiz direkt bei den Hosting-Providern bekämpft werden.
 
Hosting-Provider sind Betreiber von Webseiten, die den Usern Speicherplatz zum Speichern von Informationen anbieten. Die von den Usern eingegebenen Dateien werden so einem breiten Publikum zur Benutzung bereitgestellt.
 
 

Warum die aktuelle Regelung ungenügend ist

Derzeit bestehen lediglich vom Branchenverband der Hosting-Provider formulierte Verhaltensgrundsätze zur freiwilligen Selbstregulierung von Urheberrechtsverletzungen («SIMSA».). Diese Regelungen sind offensichtlich unzureichend. Wird ein urheberrechtsverletzender Inhalt von der Berechtigten ausfindig gemacht und angezeigt, haben die Seitenbetreiber meist eine simple Masche bereit: Der zur Verfügung gestellte und unzulässige Inhalt wird nach erfolgtem «Take-Down», also der Entfernung des unzulässigen Inhalts, kurze Zeit später einfach wieder hochgeladen. Dies kann sich endlos wiederholen.
 
Nicht endlos ist hingegen die Geduld der Rechtsinhaber. Wird der Inhalt erneut auf der Website aufgeschaltet, bleibt den Rechtsinhabern nichts anderes übrig, als die Urheberrechtsverletzung erneut anzuzeigen und die Entfernung anzuordnen. Mit der Revision des URG soll diesem Teufelskreis ein Ende gesetzt werden.
 
 

Die vorgeschlagene Regelung im Entwurf

 Die «Stay-Down-Pflicht» besagt, dass einmal entfernte urheberrechtsverletzende Inhalte vom Provider nicht erneut auf dessen Servern zur Verfügung gestellt werden dürfen. Kurz, es darf kein erneuter Upload des geschützten Inhalts erfolgen.
 
Die «Stay-Down-Pflicht» tritt ein, insofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
 

  1. Der urheberrechtverletzende Inhalt wurde bereits über den Hosting-Provider zugänglich gemacht.

  2. Der Hosting-Provider wurde auf die Rechtsverletzung hingewiesen. Dieser Hinweis erfolgt in der Praxis durch die jeweiligen Rechtsinhaber.

  3. Der Hosting-Provider schafft durch seine gewinnorientierte (wirtschaftliche) Ausrichtung oder seine technische Funktionsweise eine besondere Gefahr für Rechtsverletzungen dieser Art.

 
Unerheblich ist dabei, ob es sich um denselben Nutzer handelt, welcher den geschützten Inhalt erneut hochlädt. Entscheidend ist einzig und allein, ob der Inhalt auf der betroffenen Seite zugänglich gemacht wird. Auch Links, die den User auf andere Webseiten führen, dürfen nicht bereitgestellt werden.
 
Zudem soll in Art. 77i E-URG eine Gesetzesgrundlage geschaffen werden, die den Rechtsinhabern die Beschaffung von IP-Adressen der urheberrechtsverletzenden Person ermöglicht. Die Rechtsinhaber sollen dadurch zur Strafantragstellung oder Strafanzeigeerstattung befähigt werden. Bislang ist dies aufgrund eines Leitenscheides des Bundesgerichts den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten, denn die Beschaffung von Personendaten durch Private steht im Widerspruch zum Datenschutzgesetz.
 
 

Die Folgen der "Stay-Down-Pflicht"

Für Privatpersonen dürfte die Revision nicht von Bedeutung sein. Die «Stay-Down-Pflicht» trifft nur Betreiber, die aufgrund ihrer Ausrichtung oder technischen Funktionsweise eine besondere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen darstellen. So sollen ausschliesslich vermeintliche Piraterieplattformen in die Pflicht genommen werden.
 
Kommt ein Betreiber seiner Pflicht nicht nach, so können die Rechtsinhaber auf Durchsetzung ihres Rechtsanspruchs klagen. Zudem drohen dem Uploader strafrechtliche Konsequenzen in Form einer Geldstrafe oder in schweren Fällen sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
 
 

Die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Ausland

Der Geltungsbereich dieser Regelung beschränkt sich zwar auf Schweizer Unternehmen, die damit verbundene Problematik beschäftigt aber auch über die Landesgrenze hinaus.
 
So nahm das Europaparlament jüngst die höchst umstrittene Reform des EU-Urheberrechts an. Wird die Reform auch noch vom Rat der Mitgliedstaaten angenommen, was im Normalfall reine Formsache ist, könnten Dienste wie YouTube oder Facebook für urheberrechtsverletzende Inhalte auf ihren Plattformen haftbar gemacht werden. Um eine Haftung zu verhindern, sind die Plattformen dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass keine widerrechtlichen Inhalte zur Verfügung gestellt werden.
 
Faktisch liesse sich dies wohl nur mit aufwändigen und erst noch zu programmierenden Upload-Filter bewerkstelligen. Wie zuverlässig diese Filter sein werden und ob nicht zu viele Inhalte herausgefiltert werden, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Kritiker befürchten, dass die europäische Urheberrechtsreform einer Zensur gleichkommt.
 
 

Ausblick

Mit dem vorgeschlagenen Entwurf soll das URG der heutigen Zeit angepasst werden. Selbst wenn ein Grossteil der Piraterieplattformen aus dem Ausland stammt und dadurch von einer schweizerischen Neuregelung nicht erfasst werden wird, ist die Einführung einer «Stay-Down-Pflicht» ein Schritt in die richtige Richtung.
 
Ob die «Stay-Down-Pflicht» je in Kraft treten wird und die Zielsetzungen erfüllen kann, wird sich zeigen.
 
Bis dahin gilt es abzuwarten, Tee zu trinken und sich seine Lieblingsserie ein weiteres Mal zu Gemüte zu führen – vorzugsweise auf Netflix.

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