Das Verwaltungsratsprotokoll. Pflicht oder Papiertiger?

Als Mitglied des Verwaltungsrats kannst Du persönlich haftbar werden. Vom Startup bis zum Grosskonzern gilt: Der Verwaltungsrat muss jederzeit nachweisen können, dass die Beschlüsse und Entscheide ohne Mängel zustande gekommen sind.

Zu den Massnahmen, die das Risiko einer persönlichen Haftung minimieren gehört das richtige Dokumentieren, Protokollieren und Aufbewahren. Was gehört protokolliert? Was gilt es zu beachten?

Warum kann ich als Verwaltungsratsmitglied persönlich haften?

Im Normalfall hat das persönliche Vermögen der Mitglieder des Verwaltungsrats nichts mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu tun. Handelt der Verwaltungsrat, handelt in der Regel die Gesellschaft.

Solange die Mitglieder des Verwaltungsrats in den Schranken ihrer Pflichten und Befugnisse handeln, können sie von den Gläubigern oder den Aktionären nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden.

Persönlich haftbar werden Verwaltungsratsmitglieder allerdings dann, wenn sie ihre Pflichten als Organ verletzen und die Gläubiger, die Aktionäre oder die Gesellschaft direkt schädigen.

Ob im Rahmen der Pflichten und Befugnisse gehandelt wurde, lässt in der Regel nur aus den Dokumentationen des Verwaltungsrats nachvollziehen. Eine lückenlose Protokollierung der Vorgänge ist für den Verwaltungsrat deshalb unabdingbar.

Eine Vorlage für Deine Verwaltungsratsprotokolle findest du HIER.

Verletze ich bei Fehlentscheidungen meine Pflichten als Verwaltungsratsmitglied?

Bei falschen oder unvorteilhaften Entscheiden stellt sich die Frage: Handelt es sich a) um eine schuldhafte Pflichtverletzung oder b) um eine unglückliche (aber «vertretbare») Entscheidung des Verwaltungsrats.

In der juristischen Praxis wird die Frage, ob es sich um Fall a) oder b) handelt, anhand der sogenannten Business Judgement Rule beurteilt. Diese richtet sich nach dem folgenden zweistufigen Entscheiddiagramm:

Entscheidbaum

Beruht ein Geschäftsentscheid auf einer angemessenen Informationsbasis und erging ohne Mängel bezüglich Interessenskonflikten, wird den verantwortlichen Personen ein hoher Ermessensspielraum eingeräumt.

Bei der Beurteilung einer Pflichtverletzung wird in diesen Fällen einzig geprüft, ob der Entscheid offensichtlich unvernünftig war oder ob er allenfalls nicht richtig (gemäss Beschluss) umgesetzt wurde. Ist dies nicht der Fall, liegt keine Pflichtverletzung vor, selbst wenn es sich um einen falschen Entscheid handelt.

Die folgenden Kriterien sind für die Beurteilung essentiell, ob eine Geschäftsentscheidung gehörig und mängelfrei gefällt wurde und daher nur der eingeschränkten Prüfung (1. Stufe) unterliegt:

  • Verfügten die Organe für den Geschäftsentscheid über ausreichende Fachkenntnisse? Wurden Fachleute und Fachwissen beigezogen (sog. informed business judgement)?;

  • Konnten die Verwaltungsratsbeschlüsse in angemessener Zeit und mit angemessener Grundlage vorbereitet werden?

  • Fanden die Verwaltungsratssitzungen in angemessener Häufigkeit statt?

  • Wurden Lösungsansätze und Entscheide vom Verwaltungsrat sorgfältig diskutiert und gründlich geprüft (bspw. anhand von Dokumentationen, Berichten oder Alternativvarianten)?

  • Waren die Organe in ihrer Entscheidung unbefangen (bspw. keine Handlungen im ausschliesslichen eigenen Interesse oder im Interesse von einzelnen Aktionären oder nahestehenden Drittpersonen)?

Wird bei der Prüfung eine der Fragen mit «Nein» beantwortet, heisst dies, dass der Geschäftsentscheid umfassend geprüft werden muss (2. Stufe). Das bedeutet, dass inhaltlich geprüft wird, ob allenfalls eine bessere Entscheidung möglich gewesen wäre.

Anders als bei der eingeschränkten Prüfung wird damit gestützt auf den Inhalt der Geschäftsentscheidung beurteilt, ob eine Pflichtverletzung des Verwaltungsratsmitglieds vorliegt.

Reicht es, wenn ich ein Beschlussprotokoll der Verwaltungsratssitzungen erstelle?

Der Verwaltungsrat ist gesetzlich verpflichtet über die Beschlüsse und Verhandlungen ein Protokoll zu führen (Art. 713 Absatz 3 OR). Entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben empfehlen wir Dir, nicht nur die getroffenen Beschlüsse zu dokumentieren.

Mit Blick auf die etablierte Business Judgement Rule sollte das künftige Lesen eines Protokolls klar ersichtlich machen, wie breit abgestützt und wie vertieft über einen Beschluss verhandelt wurde.

Die folgenden Punkte sollten deshalb – nebst den Beschlussergebnissen (inkl. Stimmenverhältnis) – in Deinen Sitzungsprotokollen ersichtlich sein:

  1. Die Ausgangslage der Diskussion und Beschlussfassung (bspw. indem die vor der Sitzung verschickten Dokumente im Anhang zum Protokoll aufgeführt werden);

  2. Der Inhalt und der Umfang der Diskussionen sowie die Argumentationen (bspw. welche Variante, von welchen Mitgliedern, aus welchen Gründen bevorzugt wird);

  3. Die beigezogenen Fachleute oder das beigezogene Fachwissen;

  4. Vorbehalte und abweichende Meinungen von einzelnen Mitgliedern zu Ideen, Anträgen Voten etc.;

  5. Das weitere Vorgehen nach einem Beschluss (idealerweise mit einer zusätzlichen Pendenzenliste, die am Anfang der nächsten VR-Sitzung besprochen wird);

  6. Ausstände von einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern in Diskussionen, Abstimmungen etc.

Wie lange muss ich Protokolle aufbewahren?

Protokolle und Dokumentationen des Verwaltungsrats sind strafrechtlich relevante Urkunden. Sie dienen dem Verwaltungsrat als Beweismittel der Pflichterfüllung und dem internen Nachweis für geführte Diskussionen, erledigte Abklärungen und getroffene Beschlüsse.

Verwaltungsratsprotokolle gehören aus diesen Gründen zu den Geschäftsbüchern der Unternehmung. Sie müssen während mindestens zehn Jahren aufbewahrt werden.

Fazit

Egal ob im Grosskonzern oder im KMU: Um das Risiko einer persönlichen Haftung zu minimieren, empfiehlt es sich, Verwaltungsratssitzungen nach Drehbuch durchzuspielen.

Die Vorgänge im Verwaltungsrat sollten formal behandelt und entsprechend dokumentiert werden.

Dabei ist es wichtig, dass nicht nur das Ergebnis der Beschlüsse, sondern auch deren Entstehung nachvollzogen werden kann.

Nur so kann der Nachweis einer fundierten und informationsbasierten Entscheidungsgrundlage erbracht werden.

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