Das neue Erbrecht 2023: Was ändert sich?

Am 1. Januar 2023 ist das neue Erbrecht in Kraft getreten. Massgebend für das anwendbare Recht ist nicht das Errichtungsdatum einer letztwilligen Verfügung, sondern der Tod des Erblassers. Die neuen Regelungen gelten daher für sämtliche Erblasser, welche nach dem 31. Dezember 2022 verstorben sind. Damit kommen die neuen Regelungen auch zur Anwendung auf bereits verfasste letztwillige Verfügungen und diese bedürfen allenfalls einer Anpassung, denn mit dem neuen Recht verfügt der Erblasser über einen grösseren Handlungsspielraum hinsichtlich seines Nachlasses. In diesem Beitrag sollen die wichtigsten Änderungen und deren Auswirkungen festgehalten werden.

1. Pflichtteilsrecht:

Mittels einer letztwilligen Verfügung kann der Erblasser über die gesetzlichen Erben hinaus weitere Personen oder Institutionen als Erben begünstigen. Dabei sind aber die sogenannten Pflichtteile zu beachten. Bei einem Pflichtteil handelt es sich um denjenigen Teil des gesetzlichen Erbanspruchs, der vom Erblasser grundsätzlich nicht entzogen werden kann. Die Gesetzesrevision sieht folgende Anpassungen der Pflichtteile vor:

  • Für Nachkommen des Erblassers galt bisher ein Pflichtteil von ¾ des gesetzlichen Erbanspruchs. Per 1. Januar 2023 wurde dieser auf ½ reduziert.

  • Für die Eltern des Erblassers betrug der Pflichtteil bisher ½ des gesetzlichen Erbanspruchs. Dieser Pflichtteil ist mit dem neuen Recht komplett weggefallen, das heisst den Eltern des Erblassers steht neu kein Pflichtteil mehr zu.

  • Für den überlebenden Ehegatten beziehungsweise den überlebenden eingetragenen Partner des Erblassers wurde der Pflichtteil von ½ auf ¼ geschmälert.

 

Durch diese reduzierten Pflichtteile hat der Erblasser deutlich mehr Spielraum, bei der Verteilung seines Nachlasses. Von den Pflichtteilen abzugrenzen ist die gesetzliche Erbenfolge. Dabei geht es um die Frage, wer Erbe wird bei fehlender letztwilliger Verfügung. Diese gesetzliche Erbenfolge besteht weiterhin unverändert.

Auswirkungen der Pflichtteilsanpassung: Die angepassten Pflichtteilsrechte haben nur eine Auswirkung für Personen, die bereits eine letztwillige Verfügung verfasst haben. Insbesondere wenn beispielsweise ein Nachkomme auf den Pflichtteil gesetzt wurde, ist nicht klar, ob an der vorherigen Quote festgehalten oder die neue Quote eingesetzt werden soll. Um Sicherheit zu schaffen, sollte die letztwillige Verfügung überprüft und eine allfällig freiwerdende Erbquote neu zugewiesen werden. Hat ein Erblasser hingegen noch keine letztwillige Verfügung verfasst, entscheidet nach wie vor die gesetzliche Erbfolge, wer zu welchem Anteil Erbe wird.

2. Pflichtteil in einem hängigen Scheidungsverfahren:

Bisher galten bei Ehegatten im Scheidungsverfahren die gesetzliche Erbquote und der Pflichtteil bis zu dem rechtskräftigen Scheidungsurteil. Diese Regelung wurde dahingehend geändert, dass der Pflichtteil des überlebenden Noch-Ehegatten entfällt, sofern das Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder fortgesetzt wurde oder sofern das Scheidungsbegehren einseitig auf Klage hin mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers eingeleitet wurde. Dasselbe gilt für eingetragene Partnerschaften, die sich in einem hängigen Auflösungsverfahren befinden.

Auswirkungen: Der Pflichtteil des Noch-Ehegatten entfällt in einem hängigen Scheidungsverfahren nicht von Gesetzes wegen, sondern der Erblasser muss mittels einer letztwilligen Verfügung den Pflichtteil dem Noch-Ehegatten entziehen. Dasselbe gilt bei eingetragenen Partnerschaften.

3. Schenkungsverbot nach Errichtung eines Erbvertrags:

Nach bisherigem Recht waren Schenkungen nach Abschluss eines Erbvertrags grundsätzlich zulässig, es sei denn der Erbvertrag habe ein explizites Schenkungsverbot vorgesehen oder die Schenkung wurde offensichtlich mit Schädigungsabsicht vorgenommen. Dabei war die Rechtslage nicht immer klar. Das neue Recht schafft Klarheit, indem es von einem grundsätzlichen Schenkungsverbot nach der Errichtung eines Erbvertrages ausgeht. Eine Schenkung ist demnach grundsätzlich anfechtbar, sofern sie die erbrechtlichen Ansprüche schmälert. Zulässig ist eine Schenkung nur, wenn diese explizit im Erbvertrag vorgesehen ist oder bei sogenannten Gelegenheitsgeschenken, das heisst bei Schenkungen von geringem Wert.

Auswirkungen: Für bestehende als auch für neu zu errichtende Erbverträge ist es notwendig, eine Schenkung im Erbvertrag explizit vorzusehen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass eine allfällige Schenkung im Nachhinein angefochten wird. Der Erblasser hat dabei im Erbvertrag anzugeben, welche Schenkungen in welchem Umfang zulässig sein sollen.

4. Guthaben der Säule 3a:

Vor der Gesetzesrevision war umstritten, ob Guthaben der Säule 3a bei einer Vorsorgeeinrichtung oder Bankstiftung, dem Vermögen des Erblassers anzurechnen sind. Mit dem neuen Recht wird in dieser Hinsicht Klarheit geschaffen, indem explizit vorgesehen wird, dass das Guthaben der Säule 3a von Vorsorgeeinrichtungen sowie Bankstiftungen nicht zum Erbschaftsvermögen hinzuzurechnen ist.

Auswirkungen: Vorsorgeeinrichtungen und Bankstiftungen können die Guthaben ohne Zustimmung der Erbengemeinschaft direkt an die Begünstigten ausrichten.

5. Was ändert sich nicht?

Unverändert ist die gesetzliche Erbenfolge. Demnach haben beispielsweise Konkubinatspartner nach wie vor keinen gesetzlichen Erbanspruch und können nur durch eine letztwillige Verfügung als Erbe eingesetzt werden.

Fazit

Mit dem neuen Erbrecht verfügt der Erblasser über mehr Freiheit in seiner Nachlassplanung, aufgrund der reduzierten Pflichtteilsrechte. Zudem werden bisher umstrittene Themen wie die Schenkung nach Errichtung eines Erbvertrags sowie die Guthaben der Säule 3a klar geregelt. Bereits bestehende letztwillige Verfügen sollten überprüft und allenfalls angepasst werden.

Weitere Informationen zum Thema Nachlassverfahren.

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