AGB-Fallen im Geschäftsverkehr

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind heute aus dem Geschäftsalltag nicht mehr wegzudenken. Während Konsumenten in den Genuss von zahlreichen Schutzfaktoren im Verkehr mit AGB-verwendenden Unternehmen (Business-to-Consumer, kurz B2C) kommen, fallen diese im reinen Geschäftsverkehr (Business-to-Business, kurz B2B) wesentlich magerer aus.
Nachfolgend gehen wir auf die wichtigsten Unterschiede ein und machen auf mögliche Fallstricke in Zusammenhang mit AGB im Geschäftsverkehr aufmerksam.

Fallbeispiel

Die fiktive X AG, die in der Baubranche tätig ist, kauft bei der Y GmbH Stahlträger im Wert von mehreren hunderttausend Franken. Die beiden Unternehmen stehen bereits seit Jahren in gemeinsamer Geschäftsbeziehung. Weil die Angelegenheit dringend ist und die Finanzen der X AG letztens arg in Mitleidenschaft gezogen wurden, holt die X AG die Stahlträger ausnahmsweise auf eigene Faust direkt beim Lieferanten ab. Dadurch sollen Kosten und Zeit gespart werden.
 
Als die Geschäftsführerin der X AG die Schlussabrechnung prüft, stellt sie fest, dass die Y GmbH aufgrund der Abholung einen Vorfrachtanteil von 2 % des Nettoauftragswertes in Rechnung gestellt hat. Anstatt mit der Abholung gespart zu haben, soll die X AG jetzt also sogar noch draufzahlen.
 
Auf die Mehrkosten angesprochen, verweist die Y GmbH auf ihre AGB. Tatsächlich ist darin die Erhebung eines Vorfrachtanteils bei Kundenabholung festgehalten. Allerdings hat die X AG die AGB der Y GmbH niemals zu Gesicht bekommen. Auch wird im Kaufvertrag nicht explizit auf die AGB verwiesen. Kann es dennoch sein, dass die AGB Vertragsbestandteil geworden sind und die X AG den Vorfrachtanteil daher leisten muss?
 
 

Was sind AGB?

AGB sind vordefinierte Vertragsbestimmungen für eine Vielzahl von Verträgen. Sie kommen dort zum Einsatz, wo ein Unternehmen massenweise gleichartige Verträge mit zahlreichen verschiedenen Kunden abschliessen will. Dies beispielsweise beim Onlinehandel, beim Errichten vom Bankbeziehungen, bei Bauhandwerkverträgen und so weiter.
 
Die Vertragspartei, welche die AGB unterbreitet, wird als „Verwender“ bezeichnet. Die andere Partei als „Kunde“. Durch die Einbeziehung von AGB kann der Verwender verhindern, dass für ihn alltägliche Geschäfte mit jedem Kunden einzeln ausgehandelt werden müssen. Folglich haben die Parteien nur noch einige wenige Vertragspunkte wie zum Beispiel den Zeitpunkt des Vertragsbeginns oder die Vertragsdauer separat zu regeln.
 
Den AGB kommt keine eigenständige Rechtskraft zu. Sie kommen nur zur Geltung, wenn sie in den Vertrag einbezogen (Einbezug) und aufgrund gegenseitiger übereinstimmender Willensäusserung Vertragsbestandteil (Übernahme) wurden. Solange sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vom Konsens der Parteien erfasst waren, finden sie keine Anwendung. Eine solche Übernahme der AGB kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.
 
 

Die AGB im Verhältnis Unternehmen- Konsument (B2C)

Einbezug und Übernahme der AGB

Im Konsumentenverkehr, also bei Verträgen über Leistungen des üblichen Verbrauchs für persönliche oder familiäre Bedürfnisse, muss der Verwender den Kunden bei Vertragsschluss auf seine AGB hinweisen. Er muss dem Kunden so mindestens die Möglichkeit einräumen, in die AGB Einsicht nehmen zu können (konkludente Übernahme). Werden diese dem Vertrag sogar physisch beigelegt, liegt eine ausdrückliche Übernahme vor.
 
Eine tatsächliche Kenntnisnahme kann und wird in den meisten Fällen ausbleiben. Wurde der Kunde ordnungsgemäss auf die AGB hingewiesen, verzichtet jedoch auf eine Einsichtnahme, so spricht man von einer Globalübernahme. Eine solche wird jeweils vermutet. Hat der Kunde die AGB vollständig gelesen, ist indessen von einer Vollübernahme die Rede.
 
 

Massnahmen zum Schutz der Konsumenten

Die Globalübernahme ist insbesondere mit Blick auf die sogenannte Ungewöhnlichkeitsregel relevant: Werden AGB global übernommen, muss der Verwender den Kunden explizit auf ungewöhnliche AGB-Klauseln hinweisen. Unterlässt der Verwender dies, werden die ungewöhnlichen Klauseln nicht Vertragsbestandteil. Von ungewöhnlichen Klauseln ist dann die Rede, wenn die Klausel einen geschäftsfremden Charakter aufweist, der zu einer schwerwiegenden Veränderung der Vertragsnatur führt. Zudem muss der Wissens- und Verständnishorizont des Kunden beachtet werden. Vom Bundesgericht wurde beispielsweise eine AGB-Klausel als ungewöhnlich angesehen, bei der in einem auf 3 Jahre befristeten Vertragsverhältnis die Kündigung bereits 2 Jahre vor Vertragsablauf erfolgen musste, ansonsten sich der Vertrag automatisch verlängern würde (das Urteil finden Sie HIER).
 
Der Kunde wird im Weiteren durch die Unklarheitsregel geschützt: Ist der Sinn einer Klausel nicht eindeutig bestimmbar, ist immer von der für den Kunden günstigeren Annahme auszugehen („in dubio contra stipulatorem“ – im Zweifel gegen den Vertragsverfasser). Auch gehen abweichende Individualabreden den AGB jeweils vor.
 
Art. 8 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erlaubt letztlich eine Inhaltskontrolle, wenn missbräuchliche AGB verwendet werden. Das bedeutet, dass ein Richter im Streitfalle einzelne AGB-Klauseln für nichtig erklären kann, wenn diese ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Pflichten und den vertraglichen Rechten zuungunsten des Kunden begründen.
 
Diese Schutzmassnahmen sollen dem sogenannten Konsensgefälle entgegenwirken. So verwenden Unternehmen derselben Branche meistens beinahe identische Regelungen. Dies führt dazu, dass selbst wenn ein Kunde eigentlich nicht mit den AGB einverstanden ist, er diese akzeptiert und sie mangels besserer Alternative über sich ergehen lässt, um dennoch in den Genuss der Dienstleistung oder der Ware zu kommen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass die Kunden in eine Schwächeposition befördert werden.
 
 

Die AGB m Verhältnis Unternehmen- Unternehmen (B2B)

Die bisherigen Ausführungen können nicht unbesehen auf Fälle übertragen werden, in denen zwei Unternehmen miteinander in eine Geschäftsverbindung treten. Die genannten Schutzmassnahmen zugunsten des Kunden finden teils gar nicht erst Anwendung oder erfahren erhebliche Lockerungen.
 
Die stillschweigende Zustimmung

 
Bereits bei der Einbeziehung der AGB als Vertragsbestandteil besteht ein erheblicher Unterschied. Während im B2C-Verkehr auf die AGB explizit hingewiesen werden muss, kann im B2B-Verkehr auf einen solchen Hinweis im Vertrag unter Umständen verzichtet werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Parteien in laufender Geschäftsbeziehung miteinander stehen oder der Handelsbrauch die Benutzung von AGB gebietet. In solchen Fällen ist ein Unternehmen verpflichtet, den AGB ausdrücklich zu widersprechen. Unterlässt das Unternehmen diesen Widerspruch, kann von einer stillschweigenden Zustimmung ausgegangen werden.
 
Von laufender oder vorangehender Geschäftsbeziehung wird dann gesprochen, wenn der Geschäftspartner in häufig wiederkehrenden Geschäften dieselben AGB verwendet und jeweils auf dieselbe Art darauf hinweist. Eine stillschweigende Zustimmung kann dann angenommen werden, wenn eine langjährige Geschäftsbeziehung besteht oder im letzten halben Jahr fünf Transaktionen mit diesem Geschäftspartner abgewickelt wurden (Richtwert).
 
Ein stillschweigender Einbezug kann sich auch aus dem Handelsbrauch ergeben. Um einen solchen zu bejahen, müssen AGB in der betroffenen Branche üblich sein und beide Parteien derselben Branche angehören. Sie sind demnach im selben Geschäftsbereich erfahren und rechtskundig. Das zugrundeliegende Geschäft muss zudem in seiner Form häufig vorkommen.
 
Bei Internetkäufen reicht im kaufmännischen Verkehr bereits ein nicht sonderlich hervorgehobener Hinweis auf die AGB im Hauptmenü, da bei Onlinetransaktionen von einer erhöhten Aufmerksamkeit der handelnden Personen ausgegangen werden darf.
 
Erkundigungslast der Gegenpartei

Der Verzicht auf die Kenntnisnahme der AGB muss – anders als im B2C Verkehr – nicht ausdrücklich erfolgen. Er kann regelmässig bereits angenommen werden, wenn eine Partei den Vertrag schliesst, ohne die ihr nicht vorliegenden AGB anzufordern. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihr bekannt sein sollte, dass der Verwender AGB miteinbeziehen will. Der Verwender ist im B2B-Verkehr folglich nicht zwingend gehalten, dem Kunden unaufgefordert die Möglichkeit zur Kenntnisnahme zu verschaffen. Insbesondere von geschäftserfahrenen Partnern kann verlangt werden, dass sie die AGB aus eigenem Antrieb anfordern. Den Verwender trifft dabei nur die Pflicht, die AGB auf Verlangen in angemessener Weise zugänglich zu machen.
 
Battle of the Forms

Wollen im kaufmännischen Verkehr beide Parteien ihre eigenen AGB durchsetzen, kann es sein, dass sich einzelne Bestimmungen in den beiden AGB widersprechen. Bei diesem sogenannten „Battle of the Forms“ gelten übereinstimmende oder einander nicht tangierende Klauseln, während sich widersprechende Bestimmungen nicht angewendet werden. Daher hat im Konfliktfall das Gericht gem. Art. 2 Abs. 2 OR die Vertragslücke zu füllen.
 
Bei Vertragsverhandlungen sollte daher von Anfang an klargestellt werden, dass von den eigenen AGB abweichende Bestimmungen nicht akzeptiert werden.
 
Weitere Unterschiede

Auch bezüglich der Ungewöhnlichkeitsregel bestehen im B2B-Verkehr Unterschiede zum B2C-Verkehr. So ist insbesondere bei ebenbürtigen Vertragspartnern wohl nur in Ausnahmefällen eine ungewöhnliche AGB-Klausel anzunehmen. Sollte zwischen den Parteien jedoch bezüglich Marktstellung, Branchenkenntnissen und Geschäftserfahrung erhebliche Unterschiede bestehen, kann die Ungewöhnlichkeitsregel im selben Umfang wie bei B2C-Geschäften angewendet werden.
Ferner können im Geschäftsverkehr unbeschränkt Fachbegriffe verwendet werden, sofern die Parteien in der gleichen Branche tätig sind.
 
 

Schlussfolgerung

Im eingangs genannten Beispiel sprechen gleich mehrere Indizien für eine Anwendung der AGB der Y GmbH. So befinden sich die Parteien in langjähriger Geschäftsbeziehung, sind in der gleichen Branche tätig, das abgewickelte Geschäft ist ein alltägliches und AGB sind in der Branche üblich. Die Y GmbH war dementsprechend nicht gehalten, die X AG im Kaufvertrag auf ihre AGB hinzuweisen. Vielmehr oblag es der X AG, die entsprechenden AGB zur Kenntnisnahme herauszuverlangen. Selbst die auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutende Klausel betreffend den Vorfrachtanteil bei Abholung erlangt Geltung, da die Parteien in ihrer Markstellung ebenbürtig sind. Folglich sind die AGB Vertragsbestandteil geworden und die X AG hat den Vorfrachtanteil zu übernehmen.
 
Insbesondere Unternehmen sind demnach gut beraten, wenn sie im Geschäftsverkehr im Umgang mit AGB erhöhte Vorsicht walten lassen. Die X AG wird in Zukunft nicht mehr so schnell einen Vertrag schliessen, ohne vorher Einsicht in das Kleingedruckte genommen zu haben.

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